Mit Stille kommt etwas in Bewegung
Interview mit dem Berliner Künstler Detlef Günther zur Ausstellung in St. Christophorus: Grund, Transnaissance no.2
Herr Günther, können Sie den sperrigen Titel erläutern?
„Grund“ ist ein normales deutsches Wort. Mein Hauptaugenmerk richtet sich auf den Grund, auf dem wir stehen und von dem aus wir uns entwickeln. Natürlich hat das Wort auch die Bedeutung „Grund/Ursache“. Immer wieder auf den Grund zu kommen, unsere Grundlagen zu hinterfragen, Diese Fragen habe ich mir auch in meinem Arbeitsprozess gestellt. Und mit der Einladung, etwas für diese Kirche zu machen, bin ich auf diese extreme Form, die extreme Farbe, gekommen. Es war mir sehr wichtig, kein Abbild mehr zu zeigen, nichts mehr zu zeigen, sondern im Betrachter einen Moment der völligen Aufmerksamkeit auf sich selbst zu erzeugen, eine Art Seelenstille.
Die gemalte Stille?
Stille ist kein Vakuum, sondern Raum, sich zu entfalten. Dinge zu entwickeln, Inspirationen zu empfangen. „Was wollen wir? Als Einzelne? Als Gemeinde? Die Fragen müssen wir uns stellen. Heute geht es ja nichtmehr ums „Ich“ sondern es muss ein ganz anderes „Wir“ entwickelt werden. Mit Stille meine ich nicht Bewegungslosigkeit. Mit Stille kommt etwas in Bewegung, etwas Grundlegendes.
Was meinen Sie mit Ihrem Begriff „Transnaissance“?
Es besteht zwar eine Analogie zur Renaissance. Aber mir geht es bei diesem Begriff nicht um Wiedergeburt oder Rückerinnerung, sondern mehr um ein Losgelöst-Sein von der Zeit. Es ist heute alles synchron vorhanden und wir müssen uns in dieser Zeit irgendwo platzieren, orientieren. Hier ist für mich der Bezug zur Farbe Schwarz. Schwarz ist etwas völlig Indifferentes. Wenn wir uns in einem schwarzen Raum finden, sind wir orientierungslos. Das ist für mich etwas Positives. Nur wenn wir uns „verlieren“, stellen wir uns die wichtigen Fragen neu.
Was ist für Sie hier das Besondere an St. Christophorus?
Ich habe einen Bezug zu dieser Gegend. Ich habe fast 20 Jahre in „Kreuzkölln“ gelebt. Zudem finde ich das Projekt, das Pater Kalle Lenz und Frau Caturelli ins Leben gerufen haben, bewundernswert. Es ist toll, dass dieser Kirchenraum kulturell geöffnet wird, mit dem Konzept, dass die Künstler extra für diesen Raum etwas produzieren, sich auf diesen Raum beziehen sollen. Mir war wichtig, nicht dagegen zu gehen, sondern den Raum über den Klang dieser Farbe in seiner Ruhe zu betonen.
Wie arbeiten Sie?
Ich arbeite mit Fotografie, mit Film, Licht, Klang oder Rauminstallationen. Die Inhalte sind gesellschaftlich orientiert und je nach Inhalt suche ich mir dann erst die Form. Bei dieser Arbeit hier habe ich mich ganz bewusst auf das Tafelbild bezogen, die klassische Leinwand. Ich komme aus der abstrakten Malerei, arbeite oft mit Farben. Diesmal habe ich sie extrem reduziert, auch in Bezug auf die alten Meister wie Malewitsch oder Rothko. Es sind keine neuen Bilder, aber sie sind in der Machart anders.
Was ist das Andere?
Die Art, wie ich mit der Farbe umgegangen bin, kann man eher als eine Waschung bezeichnen. Ich habe nicht mit Pinseln gearbeitet, sondern Leinöl, Pigmente und Graphit gemischt und mit einem Lappen aufgetragen, mit der Bürste wieder abgekratzt, wieder aufgetragen, in einer permanenten Wiederholung, bis ich eine bestimmte Tiefe erreicht habe. Dabei geht es für mich fast mehr um das Abtragen als das Auftragen. Bis ein Klang erreicht ist, im Sinne eines Nachhalls. Ich wollte einen Nachhall erreichen. Im Betrachter vielleicht, denn man sieht ja nicht viel. Und es passiert nicht auf dem Bild, sondern vielleicht mit dem Bild.