Engel – Symbol der Sehnsucht

Engel – Symbol der Sehnsucht

Ich bin über einen sonnigen Friedhof gelaufen. Nach zehn Minuten fiel es mir auf. Auf mindestens jedem dritten Grabstein saß oder lag ein kleiner Engel. Aus Gips oder Stein. Diese römische Variante, Oberkörper mit Flügeln, besinnlicher Blick, Löckchen. Manche standen auf Sockeln mit Aufschriften wie „Unvergessen“ oder lümmelten nebeneinander im Efeu.

Gelegentlich war an einem Stein das Relief der betenden Hände oder ein Kreuz zu sehen. Der Friedhof liegt im Ostteil der Stadt. Wenige haben hier eine Verbindung zum Christentum, das ist statistisch bekannt. Aber diese Engelsscharen! Sie sind doch weder sozialistisch noch atheistisch korrekt. Ich laufe kreuz und quer. Überall die weißen Figuren. Vielleicht gibt es einen Laden in der Nähe, der die Himmelsboten en gros verkauft.

Sehnsucht

Ich vermute, die Trauernden möchten dem Verstorbenen noch etwas Liebes schenken, an dem unwirtlichen Ort, wo sie ihn lassen müssen. Bei vielen Menschen ist die Sehnsucht so stark, dass es einen Ort gibt, der mehr Geborgenheit verspricht als das Grab! Dass sich Engel um die Seelen der Verstorbenen kümmern. Dass es diese leuchtenden und unaggressiven Wesen tatsächlich geben möge. Vielleicht stellen sich hierzulande so viele Leute einen Buddha auf, weil er sie doch wieder an das Sanfte unserer Engel erinnert. Dieses wissende Lächeln, das von der anderen Welt erzählt.

Ganz gleich, wie kitschig sie sind, die Engel auf den Gräbern und die an den Christbäumen. Sind sie nicht unsere Symbole für ein schüchternes Klopfen an der Tür. „Hallo da oben oder da drinnen? Ist da wer? Gibt es die himmlische Seligkeit?“

Boten

Ich wünsche uns, dass wir Antworten bekommen, dass Türen aufgehen, dass Gott uns Boten schickt, die uns Trost und Vertrauen schenken. Vor allem jenen, die gerade besonders darauf hoffen, weil an ihrem Tisch an Heilig Abend jemand für immer fehlt.

Und vergessen Sie nicht: Wir alle können für jemanden Engel sein.